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Dominanz, Unterwerfung, Macht und Ohnmacht im
AlltagDies ist ein Versuch, meine Veranlagung
näherzubringen- nicht um Andere zu überzeugen, sich genauso zu verhalten;
ich denke, es ist angeboren oder nicht. Nein, vielmehr möchte ich einfach
versuchen, die großen Klippen zwischen den sogenannten "Normalen" und
denen, die diese Veranlagung in der einen oder anderen Richtung in sich
haben, etwas zu verkleinern. Es geht mir dabei nicht um SM- Praktiken
sondern um Gedankenabläufe, um ganz alltägliche Verhaltensweisen, die
auch nichts anderes sind als der Kampf um Macht und Ohnmacht. Ich
denke, jeder kennt solche Situationen, zum Beispiel im Beruf. Es gibt
Vorgesetzte, die selbst bei Dingen wie Urlaubstagen
immer erst große Überlegungen anstellen, einfach um zu zeigen, dass sie
die Macht haben, das Gesuch abzulehnen oder zu befürworten. Sie werden hin
und her überlegen, im Kalender blättern, unentschlossen tun und am Ende
voller Großmut zustimmen, als würden sie ein absolut unverdientes Geschenk
machen. Oder sie lehnen mit fadenscheiniger Begründung ab, und man weiß, es
liegt an irgendeiner Sache, die schon länger her ist, die aber alle
Beteiligten noch im Kopf haben. Ich habe selbst mal in einer Behörde,
einem Sozialamt, als Angestellte mit diesen Dingen zu tun gehabt. Man
konnte beobachten, wie manche Kollegen (zum Glück bei weitem nicht alle)
ihre schlechte Laune an Menschen abreagierten, die dafür absolut nichts
konnten und auch wehrlos dagegen waren. Oft verstärkten sich solche
Mechanismen noch, wenn es sich um Randgruppen handelte, also Wohnungslose,
Punks, Ausländer oder Ähnliche. Die Macht über diese Menschen, die ja der
Sachbearbeiter doch bis zu einem gewissen Punkt hat, wurde schamlos aus
persönlichen Gründen ausgenutzt. Aber was daran viel schlimmer ist: Es
passiert unbewusst. Und es passiert mit Menschen, die nicht damit
einverstanden wären, wenn sie diese Abläufe durchschauen würden. Und es
kann ganze Existenzen vernichten, nur aus dem Grund, einem Machtlüsternen
ein gutes Gefühl zu verschaffen, welches er noch nicht einmal erklären
könnte. Dadurch, dass mir meine Veranlagung damals schon klar war,
denke ich, diese Machtkämpfe im Alltag auch besser zu erkennen, wenn ich
ihnen begegne. Ich sehe auch ihre Sinnlosigkeit viel eher als Andere und
ich war und bin auch nach Möglichkeit meist bestrebt, sie zu vermeiden,
schlicht weil ich sie für fruchtlos halte. Aber ganz sicher gibt es
diese Kämpfe nicht nur im Sozialamt und Beruf! Auch in allen anderen
Bereichen des Lebens versuchen Menschen, einander das Leben schwer zu
machen, schlicht weil sie es können. Jeder kennt das, man fühlt sich
gut, weil man sich ein neues Kleidungsstück gekauft hat, beim Friseur war,
ein Auto angeschafft hat, oder irgendetwas getan hat, wovon man selbst
überzeugt ist. Irgendein Freund oder Bekannter (geschlechtsunabhängig)
wird immer dabei sein, der an allem etwas auszusetzen hat, egal worum es
geht, er wird immer das Negative sehen, an allem, so lange bis die meisten
dann selbst ihre Entscheidung bzw. ihren Geschmack anzweifeln, und die
große Freude einen schalen Beigeschmack erhalten hat. Man sollte
wirklich lernen, diese Person als das zu sehen, was sie ist, jemand, der
alles schlecht macht, einfach weil es ein Genuss ist, zu sehen, wie der
Andere langsam in seiner Freude nachlässt, manchmal auch schlicht aus Neid.
Man sollte lernen, über solche Kommentare zu lachen. Sie bleiben dann
irgendwann aus, weil das erwünschte Ergebnis ausblieb. Es gibt die
Ehemänner, die immer an ihren Frauen herumnörgeln, und umgekehrt die
Frauen, die ihren Männern ewig ein schlechtes Gewissen einreden. Das
Erstaunliche ist, meist klappt es. Obwohl der betroffene Partner weiß,
dass er/ sie alles ihm/ ihr Mögliche versucht hat, wird er das Gefühl haben,
wirklich versagt zu haben. Der Andere bekommt immer weiter
Oberwasser. Auch in der Familie, zwischen Eltern und Kindern passieren
solche Dinge; denn durch diese Machtausübung werden Kinder an der Leine
gehalten. Oft geht es um Geld bei diesen Dingen. Kinder lernen schnell.
Wenn sie bestimmte Dinge tun, erhalten sie höheres Taschengeld und mal
etwas extra; sie können sich so ihre Wünsche erfüllen. Dementsprechend
werden sie sich so benehmen, dass sie sich an alle Vorgaben halten. Wenn
sie dann ein bestimmtes Alter erreicht haben, flügge sind, kommt etwas
zweites dazu. Sie werden nicht nur mit Dingen im Zaum gehalten, die ihnen
versprochen werden, sondern auch durch Dinge, die sie schon erhalten
haben. Das schlechte Gewissen wird geweckt und es wird immer da genutzt,
wo es sinnvoll erscheint. Meist klappt es gerade in diesem Fall noch
eine Weile, obwohl der Mechanismus durchschaut wurde, einfach weil er von
klein auf eingebläut wurde. Bei manchen klappt er ein Leben lang. Aber
auch anders herum gibt es all diese Dinge. Es gibt den Arbeitnehmer, der
sagt, er braucht den Druck von oben, um arbeiten zu können. Es gibt
Menschen, die es einfach genießen, im Alltag jemanden zu haben, der ihnen
alles vorgibt, beruflich, oder in der Familie. Und es gibt die Ehefrau,
die die Schläge ihres Mannes für eine Form von Zuneigung hält. Oder es
gibt Beziehungen, bei denen ein Partner sich darauf einlässt, dass der
Andere/ die Andere ihn schlecht behandelt, ihn/ sie betrügt oder anderes.
Auch das hat für manche Menschen einen Reiz, den sie sich oft selbst nicht
erklären können. Oft wird das als Drang zur Selbstzerstörung gewertet,
wenn jemand sich gerade von so einer Beziehung nicht lösen kann. Das
Gefährliche daran ist, wenn beide nicht wissen, warum sie sich wie
verhalten. Gelegentlich finden sich passende Pole zusammen, die dann zwar
merken, sie kommen nicht voneinander los, aber natürlich nicht wissen,
weshalb nicht. Das Hauptproblem ist eben, die Menschen wissen nicht,
weshalb sie auf bestimmte Verhaltensweisen reagien; sie sehen nur, dass
sie es tun. Nun ist die Frage, was haben all diese Beispiele mit SM zu
tun, in meinem Fall mit Dominanz und Unterwerfung? Die Leute, die ich eben
beschrieben habe, sind meist Menschen, die jegliche Gemeinsamkeit mit SM
laut und entsetzt von sich weisen würden. Aber trotzdem, es ist der
gleiche Wunsch, der sie dazu treibt. Der sie dazu treibt, andere zu
drangsalieren oder auch dazu, immer wieder sich selbst in Situationen zu
bringen, wo sie ohnmächtig mit sich geschehen lassen. Der Unterschied
ist, sie tun es unbewußt, sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht, und
sie können es deshalb auch nicht kanalisieren. Diese Unfähigkeit, es zu
kanalisieren, kann auch zu großen seelischen Belastungen führen, denn der
Wunsch nach Unterwerfung, nach Ohnmacht hat meist ja auch eine bestimmte
Richtung und will eigentlich nicht dazu führen, in jeder Art leiden zu
müssen. Da es nicht artikuliert werden kann, ist das aber oft der
Fall. Und oft genug zweifeln auch die Menschen an sich, die immer
wieder ihre Macht zeigen. Sie fühlen sich selbst von ihrem Verhalten in
bestimmten Situationen angewidert und werden von ihrer Umwelt als schlecht
oder bösartig verstanden; dabei tun auch sie nur etwas, was in ihnen ist,
sie leben aus, was sie selbst nicht unterdrücken können. Wer zu seiner
Veranlagung steht, hat die Chance, sich auszuleben mit Menschen, die auch
zu der ihren stehen, hat die Möglichkeit, das, was in ihm/ ihr ist, auch zu
genießen und nicht ständig hinterfragen zu müssen. Ich will mit diesen
Zeilen wirklich keine allgemeine Bekehrung starten, ich will nur
aufzeigen, wie alltäglich all diese Schattierungen sind, einen kleinen
Denkanstoß zur Akzeptanz geben. |
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